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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
Meissner AG - Wallau
Seit mehr als 100 Jahren prägt die Firma Meissner aus Wallau als „Mutter der Werkzeugbauer im Hinterland“ die Industriekultur in Mittelhessen. Maßgeblich für den Erfolg von Meissner waren seit jeher die Flexibilität der Firma und ihrer Mitarbeiter sowie die Offenheit für Innovationen. Neben den klassischen Geschäftsfeldern wie der Herstellung von Gießereiwerkzeugen oder Blasformen wachsen heute auch Gemüsepflanzen in einer eigenen Vertical Farming-Anlage des Unternehmens
Am 1. Oktober 1922 gründeten Theodor Meissner und Georg Müller die „Modell- und Maschinenfabrik Meissner u. Co. GmbH“ in Wolzhausen. Das Unternehmen startete damals mit vier Beschäftigten und spezialisierte sich auf die Produktion von Modellen für Nähmaschinenteile und Öfen. Der erste Lehrling war Herr Becker, ein Mitbegründer der späteren Firma Heck + Becker. Die Auftragsbücher füllten sich schnell, sodass die vorhandenen Kapazitäten bald nicht mehr ausreichten. Das Unternehmen wuchs stetig und übernahm 1925 das Gelände des Sägewerks und der Bahnhofsgaststätte in Wallau. Im folgenden Jahr zogen Mitarbeiter und Anlagen an den neuen Standort um.
1927 schieden 5 Belegschaftsmitglieder aus der Firma aus und gründeten das Unternehmen Eckel & Co. in Wallau.
1931 nutzte die Firma Meissner die Gelegenheit, als Zulieferer in die Fahrzeugindustrie einzusteigen. Dies wurde möglich durch einen Auftrag der Russischen Handelsvertretung in Berlin: Die Firma stellte eine Modelleinrichtung für Traktormotoren her. Seitdem ist Meissner kompetenter Partner der Fahrzeug- bzw. Automobilindustrie geblieben.
Das Unternehmen wuchs stetig und hatte1932 bereits mehr als 100 Mitarbeiter. Zwei Jahre später verließ der Gründer Georg Müller die Modell- und Maschinenfabrik und gründete ein eigenes Modellbauunternehmen. An seine Stelle trat Fritz Krämer.
Im Jahr darauf wurde die GmbH in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, das Produktspektrum wurde erweitert: Meissner stellte jetzt auch Modelle für die Flugzeugindustrie her. 1937 übernahm das Unternehmen das „Lettermannwerk Ludwigshütte“, das Fleischereimaschinen produzierte. In der Folge errichtete Meissner 1942 auch eine eigene Fleischereimaschinenfabrik. Im selben Jahr schied Fritz Krämer als Geschäftsführer aus und gründete das eigene Unternehmen „Krämer + Grebe“ in Wallau. Meissner hatte inzwischen mehr als 200 Beschäftigte.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Betriebsgelände zwei Mal von Fliegerbomben getroffen: Am 6. Oktober 1944 starben bei einem Bombenangriff acht Menschen, 30 wurden verletzt. Am 9. März 1945 wurden weitere Teile der Firmengebäude stark beschädigt. Meissner verlagerte seine Produktion deshalb vorübergehend in die Henkel-Halle sowie verschiedene andere Betriebe, die Platz zur Verfügung stellten, und war so weiterhin handlungsfähig.
Nach dem Ende des Krieges brach die Fahrzeug- und Flugzeugindustrie komplett zusammen. Für Meissner bedeutete dies schwierige Zeiten. Auch hier zeigten das Unternehmen und seine Beschäftigten Flexibilität und hielten sich über Wasser, indem sie Haushaltshackmaschinen, Aluminiumschüsseln, Kreissägen und Jauchepumpen fertigten. Im Jahr 1947 bekam Meissner schließlich auch die Produktionsgenehmigung für die Herstellung von Modelleinrichtungen und Fleischereimaschinen. Im selben Jahr verstarb am 25. November der namensgebende Gründer Theodor Meissner. Das Unternehmen wurde von seinem Sohn Kurt Meissner weitergeführt.
Geduld und Einfallsreichtum zahlten sich aus: Die Wirtschaft erholte sich und Meissner konnte erneut die Automobilindustrie als Kunde gewinnen. Zwischen 1956 und 1987 baute das Unternehmen deshalb immer wieder um und errichtete neue Gebäude für die einzelnen Geschäftsbereiche: In der Friedrichstraße wurde beispielsweise 1959 die Fleischereimaschinenfabrik gebaut, auf dem Gelände Ritter entstand 1979 der Neubau des Werks III und fünf Jahre später das Werk IV.
1966 wurde ein ungewöhnlicher Bereich des Modellbaus begonnen. Der für den U-Bahn-Bau! So war Meissner indirekt sogar am Bau verschiedener Tunnel und U-Bahnen beteiligt. Wie zum Beispiel am Elbtunnel-Hamburg, der U-Bahn-Hamburg, der U-Bahn-Frankfurt, der U-Bahn-München und der U-Bahn-Wien um nur einige zu nennen.
Es folgte der Aufbau von Meissner-Aktivitäten im Ausland: 1983 wurde Meissner Mexicana gegründet, 1989 Meissner Tech in Kanada. Beide Unternehmen wurden in den Folgejahren verkauft bzw. aufgelöst.
1991 erfolgte die Ausgründung der „Meissner GmbH und Co. KG Nahrungsmittelmaschinen“, die schon 1994 wieder verkauft wurde. Am 30. September 1994 meldete Meissner Konkurs an.
Grund für die finanzielle Schieflage des Unternehmens war nicht eine insgesamt schlechte Auftragslage, im Gegenteil: Die gesamtwirtschaftliche Lage war sogar gut. Aber Fehler des seinerzeitigen Managements und letztlich der Zahlungsausfall eines großen Kunden waren es, die das Schicksal der Firma – zunächst – besiegelte. Im folgenden Jahr schloss Meissner den Bereich für den Sondermaschinenbau.
Das Unternehmen, seine neue Geschäftsführung und die Mitarbeiter wurden kreativ: Tilman Löffelholz, der für die Konkursverwaltung das Unternehmen durch die Krise geführt hatte, wagte gemeinsam mit der Belegschaft einen mutigen Schritt und gründete eine zu 100% von den Mitarbeitern getragene Auffanggesellschaft. Seit 1997 wurde Meissner damit als Aktiengesellschaft fortgeführt. Eine seiner Zeit ungewöhnliche Firmenneugründung.
Die Mitarbeiter schlossen sich zusammen und unterstützten ihre Firma durch Eigenkapital. Jeder Mitarbeiter brachte damals mindestens 10.000 D-Mark ein. Bis heute halten die Beschäftigten die Mehrheit der Aktien. Vor allem langjährige Mitarbeiter berichten, dass sich die Gründung der AG positiv auf den Zusammenhalt und die Motivation ausgewirkt hat und das die Unternehmenskultur bis heute prägt.
Die junge Meissner AG wuchs schnell. Schon im Mai 1997 wurde der Bereich der Werkzeuge für Fahrzeugausklei-dungen von der in Konkurs gegangenen Firma Formtechnik Aartal GmbH aus Niederweidbach übernommen. Ein Teil der dortigen Mitarbeiter fanden eine neue Bleibe bei der Meissner AG.
Der Schwerpunkt der Meissner AG liegt nach wie vor im Gießerei- und Automobilbereich. Der Gießereiwerkzeug-bereich mit dem Design und der Herstellung von Prototypen sowie Produktionswerkzeugen für alle Abguss- und Formprozesse der Eisen- und Aluminiumgießereien bildet hierbei die größte Sparte. Der Blasformenbereich zur Herstellung von Werkzeugen für Hohlkörper aus Kunststoff und der Fahrzeugauskleidungsbereich für Werkzeuge zur Umformung für Kunststoff, Aluminium oder Textil gehören ebenfalls zum Spektrum. Weitere Kompetenzen liegen in der vor einigen Jahren gegründeten Abteilung für Automatisierungstechnik.
Um international besser agieren zu können, gründete das Unternehmen 2012 ein Joint Venture in China. Seit 2015 gibt es außerdem eine eigene Service-Abteilung, die rund um die Uhr für die Reparatur und Instandhaltung der Kundenwerkzeuge zur Verfügung steht. 2018 kam dann noch eine Beteiligung des Unternehmens „Vision“ in der Türkei dazu.
Die Mobilitätswende und ihre Herausforderungen erfordern in den letzten Jahren verstärkt Flexibilität und den Mut zur Weiterentwicklung. Die Meissner AG zeigt sich deshalb wiederum offen für Innovationen und neue Märkte. 2019 stieg das Unternehmen in den 3D-Druck ein und entwickelte eine eigene Anlage für den Metall-3D-Druck, mit der auch größere Bauteile produziert werden können. Seit 2020 gibt es außerdem eine eigene Abteilung für Automatisierung und Anlagenbau. So können die Mitarbeiter heute individuelle Lösungen für verschiedenste Anwendungsgebiete anbieten.
So breit aufgestellt wie heute war das Unternehmen noch nie: Zuletzt ist Meissner sogar zur Nahrungsmittel-industrie zurückgekehrt, auch hier wieder mit einem zukunftsgewandten Ansatz: Die Firma hat sich eine Lizenz für das Pflanzenzuchtsystem OrbiPlant® des Fraunhofer Instituts gesichert, dieses System weiterentwickelt und zur Industriereife geführt. Auf einer eigenen Prototypenanlage zeigt Meissner bereits erfolgreich, wie mit Vertical Farming Salat- und Gemüsepflanzen angebaut werden können. Hierfür sind bedeutend weniger Wasser und so gut wie keine Pestizide notwendig, außerdem werden lange Transportwege vermieden. So leistet das Unterneh-men auch einen Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft.
Heute zählt Meissner einschließlich seiner Auszubildenden und dualen Studenten ca. 250 Mitarbeiter.