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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
Didier Werke in Mainzlar/Staufenberg
Seit fast 200 Jahren ist feuerfeste Keramik in Industrie und Haushalt nicht mehr wegzudenken. Wesentlicher Wegbereiter dieser Technik war der Stettiner Ferdinand Didier, der den Nutzen vor allem für die Eisen- und Stahlerzeugung, für Kokereien und für die chemischen Industrie erkannte. Daraus entwickelte sich ein Weltunternehmen mit immer differenzierteren Produkten. Trotz mehrfacher Eigentümerwechsel hielt man an dem zugkräftigen Namen des Hugenotten aus Stettin fest, so auch bei dem Werk in Mainzlar bei Staufenberg, das seine Existenz des zufälligen Fundes von Quarzsand, den Ausgangsprodukt für feuerfeste Keramik, fand.
Während des Baus der Lumdatalbahn stieß man auf Quarzitvorkommen, dem wichtigsten Bestandteil zur Herstellung von feuerfester Keramik. 1907 errichtete daraufhin das Unternehmen Scheidhauer & Gießing AG aus Bonn in Mainzlar eine Produktionsanlage und begann mit 250 Mann die Fabrikation von feuerfester Keramik (Chamotte bzw. Schamotte). Chamotteprodukte wurden u.a. von den heimischen Hüttenbetrieben für den Stahlguss und den Ofenbau benötigt sowie bei der Glasherstellung. Einen besonders hohen Absatz fanden Schamotteretorten in der stark prosperisierenden Gaswerksindustrie.
Das Bonner Unternehmen wurde 1927 von der „Stettiner Chamottefabrik F. Didier“ übernommen, das schon einige Werke in und außerhalb von Deutschland besaß.
Die „Stettiner Chamottefabrik F. Didier“ war ein weltweit bedeutendes Unternehmen auf dem Gebiet hochtemperaturfester Spezialkeramik, des Gas-, Kokerei- und Chemie- Anlagenbaus sowie des Faser- und Kunststoffanlagebaus.
Gegründet wurde das Unternehmen durch den einer Hugenottenfamilie entstammenden Ferdinand Didier aus Stettin im Jahre 1834. Nachdem Didier in Wilhelm Kornhardt, einen anerkannten Fachmann für den Gaswerkbau, als Partner gewonnen hatte, stellte die „Stettiner Schamottefabrik F. Didier“ ab 1865 komplette Gaswerksöfen her. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen auch Aktivitäten in der Hüttenindustrie und insbesondere dort bei dem Bau von Kokereien.
Mit der Neugründung verbunden war eine neue geographische Gliederung der Betriebe. Zu der Werksgruppe West, in der sechs Werke lagen, gehörte auch das Werk Mainzlar.
Das Unternehmen hatte die Geschäftsbereiche: „Didier-Säurebau“ , „Didier-Feuerfest“ und „Didier-Gas- und Koksofenbau“.
Der Firmensitz wurde 1925 nach Berlin verlegt. 1930 besaß die Didier AG in Deutschland 23 Werke für feuerfeste Materialien mit den dazu gehörenden Gruben für die Rohstoffe.
Nach dem Krieg verblieben die acht Werke in der Bundesrepublik. Zunächst leitete der Vorstandsvorsitzende Dr. Bieneck das Unternehmen von Marktredwitz aus, bis der Sitz 1948 nach Wiesbaden verlegt wurde.
Die Didier-Werke AG erholte sich trotz großer Verluste durch Enteignungen ihrer Betriebe in den Ostgebieten - vor allem durch die Errichtung kompletter Kokereianlagen- rasch und expandierte weltweit. Der Kokerei-Anlagenbau gewann sogar eine so hohe Bedeutung, dass er zu einer eigenständigen Firmenaktivität wurde. Durch vielfache Fusionen entstand die „Didier-Kogag“ bzw. „Didier-Kogag-Hinselmann AG (DKH) mit Sitz in Essen. 1968 übernahm Didier die „Rheinische Chamotte- & Dinas-Werke AG“ (Köln).
Im Ausland übernahm Didier eine Reihe großer Unternehmen, u.a. 1966 die „Stopinc AG“ in der Schweiz, 1989 die „North American Refractories Co.“ („NARCO“) in Cleveland/USA und 1993 die „REFEL Refrattari Elettrofusi S.p.A.“ in Italien.
1994, im letzten Jahr ihrer unternehmerischen Selbstständigkeit, besaßen die Didier-Werke in Deutschland Feuerfest-Fertigungsbetriebe in Duisburg, Grünstadt, Krefeld, Mainzlar, Marktredwitz, und Niedeollendorf. Im Ausland kamen noch Fertigungsstätten in Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Schottland, Kanada, den USA und Malaysia hinzu.
Das Werk in Mainzlar war eines der sechs verbliebenen Werke des „Feuerfest-Marktes“.
Schon seit 1902 besaß das Werk in Mainzlar nach Fertigstellung der Lumdatalbahn einen Gleisanschluss, der eine Verbindung zu der Main-Weser-Bahn bei Lollar herstellte. In Schüttgutwagen werden bis heute Quarzsande, andere Rohstoffe und Fertigprodukte an- und abgeliefert.
Zur Aufnahme von Mitarbeitern aus den ehemaligen Werken in Schlesien ließ der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Dr. Bieneck, eine Arbeitersiedlung am Rande des Werksgeländes errichten.
Seit Mitte der 50er Jahre wurde das Werk in Mainzlar grundlegend um- und ausgebaut. Werkstätten und Labors kamen hinzu. Es wurden zwei Hochbrand-Tunnelöfen von je 150m Länge installiert. Das Fertigungsprogramm wurde auf die Herstellung von Hochwert-Feuerfest-Produkten für das kontinuierliche Gießen in der Stahlindustrie konzentriert und Materialien auf der Basis von Zinkoxyd entwickelt, die den extremen Ansprüchen in modernen Stahlwerksprozessen entsprechen.
Die Didier-AG setzte ihre Unternehmenspolitik der vielfachen Kooperationen, Beteiligungen und Fusionen weiter fort. Von 1977 bis 1992 wurde Didier schrittweise von der „voestalpine AG“ aus Linz übernommen und firmiert unter „RHI Refraktories, Produzent feuerfester Steine“. Das Werk in Mainzlar gehörte zu diesem Verbund. 2007 bestand das Werk in Mainzlar 100 Jahre.
Das inzwischen als RHI Magnesita firmierende Unternehmen liefert feuerfeste Keramik für die Stahl-, Zement-, Kalk-, Nichteisen-metall-, Glas-, Energie-, Umwelt- und Chemieindustrie in mehr als 180 Länder. Es besitzt 35 Produktions- und Rohstoffstandorte mit etwa 14.000 Mitarbeitern. Der Umsatz der mehr als 120.000 Produkte betrug 2016 ca. 2,5 Mrd. €.