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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
Der Hessen-Nassauische Hüttenverein des Unternehmers J.J. Jung gründete in Breidenbach eine Gießerei zur Verarbeitung des im Hochofenwerk Oberscheld erzeugten Roheisens. 1935 übernahm Buderus den Hüttenverein und produziert in Breidenbach Zubehör für die Automobilindustrie, insbesondere sehr hochwertige Bremsscheiben.
Nachdem die meisten Hochofenwerke Ende des 19. Jahrhunderts von der Roheisengewinnung zur Eisenverarbeitung übergegangen waren, entschied die Geschäftsführung des Hessen-Nassauischen Hüttenvereins im Jahre 1912, das Roheisen des gerade in Oberscheld bei Herborn fertiggestellten Hochofenwerkes, in einem neu zu errichteten Gusseisenwerk zu verarbeiten. Als größter Arbeitgeber im Hessischen Hinterland mit mehreren Hüttenbetrieben wurde der Ort Breidenbach, der gerade an das Eisenbahnnetzt angeschlossen worden war, als Standort für ein zentrales Gießereiwerk gewählt. 1915 konnte die Gießerei in Betrieb genommen werden. Die Kriegszeit zwang das Unternehmen neben dem Kupolofenbetrieb auch ein Stahlwerk mit zwei Konvertern zu errichten. Ingenieur Petin unterstützte als Stahlfachmann dabei den Gießereiverwalter Oskar Krell. Hergestellt wurden zunächst Gehäuse für Elektromotoren, Eisenbahnräder, Stahlgranaten und Laufräder für Kräne.
Nach dem Krieg wurde die Stahlerzeugung aufgegeben und auf Grau-, Qualitäts- und Maschinenguss umgestellt, z.B. für Elektromotoren, Herd- und Ofenfabrikation.
1925 waren bereits 180 Mitarbeiter tätig und der Export von Gasherdteilen begann.
Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise ging das Werk zur Röhrenproduktion über, die zunächst sehr erfolgreich war, dann aber doch durch den unausweichlichen Beitritt zum Röhrensyndikat zu Kurzarbeit führte. Die Krise betraf auch andere Werke des Hüttenvereins, der damit endete, dass der Hessen-Nassauische Hüttenverein 1935 in die Buderus’schen Eisenwerke aufging. Das Gießereiwerk florierte in den Folgejahren unter dem neuen Eigentümer und wurde ständig erweitert. 1938 betrug die Jahresleistung von Gusserzeugnissen bereits 700 t.
Der Zweite Weltkrieg beendete nahezu die Produktion. Das Werk diente vornehmlich der Unterbringung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. Die bevorstehende Schließung nach dem Krieg konnte durch die Idee verhindert werden, Betonwaren und Bausteine herzustellen, die im zerstörten Land dringend benötigt wurden. Erst 1946 konnte die Gießerei zaghaft mit der Produktion beginnen. Dann setzte aber bald ein rasanter Aufschwung ein, so dass zu Beginn der Währungsreform 1948 bereits ca. 300 Mitarbeiter etwa 2.000 t Guss erzeugten.
Ab 1949 konzentrierte man sich als Zulieferbetrieb für die Automobilindustrie. Es wurden Kupplungsgehäuse, Bremstrommeln, Auspuffkrümmer mit zunehmender Variationsbreite für PKWs und Nutzfahrzeugen hergestellt. In den 50er Jahren begann das Werk mit der zügigen Automatisierung aller Anlagen, so dass Ende der 60er Jahre u.a. 40.000 in Serienfertigung hergestellte Pumpengehäuse an die Automobilindustrie geliefert werden konnte.
Mit zunehmendem Arbeitskräftemangel kamen etliche „Ostzonenflüchtlinge“, später auch Gastarbeiter aus vielen Ländern nach Breidenbach, die den Arbeitskräftemangel beseitigten und schnell einheimisch wurden.
Eine weitere Neuausrichtung begann 1963 mit der Lieferung von Bremsscheiben an die Opel AG, die weitere Investitionen in neue Anlagen erforderte. In der Wirtschaftskrise der 60er Jahre wurde die gesamte Bearbeitungskapazität auf die Amalienhütte in Niederlaasphe verlegt, 1969 aber wieder in das Werk Breidenbach zurückverlegt. Bis in die 70er Jahre gab es Höhen und Tiefen mit ungewissen Fragen für die Zukunft des Werkes, denn Marktsättigungen, Strukturveränderungen und laufende technische Neuerungen machten langfristige Planungen schwierig. Durch Zusammenlegung verschiedener Gießereibereiche von Buderus und einen großen Investitionsaufwand wurde das Werk zur modernsten und leistungsfähigsten Seriengießerei der Buderus-Gruppe „aufgerüstet“. Ein erheblicher Teil der Investitionen entfiel auf Umweltschutzmaßnahmen. Technischer Höhepunkt war die 1978 errichtete neue Formsandaufbereitung, dessen Turmbau mit 44,3 Metern zum Wahrzeichen von Breidenbach wurde. Die Jahresproduktion betrug jetzt rund 43.200 Tonnen, die Mitarbeiterzahl 764.
Ende der 70er entschied das Unternehmen, die Herstellung von Bremsscheiben und Bremstrommeln zum Kerngeschäft auszubauen.
Die Automobilkrise 1992/93 brachte zunächst einen Rückschlag mit langer Kurzarbeit, aber durch Ausfall eines Mitbewerbers bot VW dem Werk dessen Kapazitäten an, die das Werk Breidenbach schnell wieder auf Erfolgskurs brachte. Die Zertifizierung nach DIN- und EN-Norm sowie die Auszeichnungen amerikanischer und deutscher Automobilhersteller sicherten den Auftragsbestand. 1997 wurden rund neun Millionen Teile gefertigt. Das Werk in Breidenbach war zum führenden Bremsscheibenhersteller in Europa geworden.
Auf Grund der Entscheidung von Opel, Großaufträge an den Buderus-Gussbereich zu vergeben, entschied Buderus, die dazu notwendiges Produktion im Werk Breidenbach auszuführen und dazu eine weitere Werkeinheit zu errichten.
Für 73 Millionen DM sollte im Jahre 2002 das Werk mit dem Projektnamen „Epsilon“ fertiggestellt sein. Für den Absatz von 14 Millionen Bremsscheiben war ein Umsatz von 220 Millionen DM anvisiert. Nach Fertigstellung lieferte das Werk 2003 über vier Millionen Gussteile und hatte etwa 600 Mitarbeiter. Nach dem Engagement der Robert Bosch GmbH bei Buderus wurde 2005 das Werk eine eigenständische Tochtergesellschaft Buderus-Guss GmbH unter dem Dach der Robert Bosch GmbH.
Neue Bremsscheiben, die den Feinstaubabrieb verringern und Großaufträge aus der japanischen Automobilindustrie, die nach schwierigen Audit- und Zertifizierungsverfahren zustande kamen, brachten neue Absatzrekorde und führten 2004 zur Inbetriebnahme einer neuen Bearbeitungsstrecke. Auf dem Gelände der nahen Ludwigshütte wurde ein notwendiges neues Werk errichtet. Die Finanzkrise von 2009 konnte durch die Entwicklung einer Leichtbaubremsscheibe für Fahrzeuge mit Aluminium-Karosserien schnell überwunden werden. Bereits ein Jahr später wurde mit 120.000 Tonnen Guss eine Produktionssteigerung von 30% erreicht. Das ermöglichte Investitionen in den Umweltschutz, besonders in die Reinhaltung der Luft und Abwässer, u.a. in die modernste Gasreinigungsanlage für Kupolöfen in Europa, zusammen für 36 Millionen Euro. 2018 hatte das Werk 800 Mitarbeiter.
Mit der anfangs massiven Förderung der E-Mobilität ergaben sich wirtschaftliche Probleme, die auf einen Verkauf des Unternehmens hinführen sollten.
Die Oberhessische Presse (OP) berichtete Ende Okrober 2024, dass bereits im Februal das Unternehmen, zusammen mit dem Zweigwerk auf der Ludwigshütte in Biedenkopf, an die Münchener Aequita-Gruppe verkauft wurde und nunmehr unter dem Namen "Breyden" firmiert. Der CO2-Ausstroß soll durch moderne Kupolöfen reduziert werden. Zusätzlich investiert Breyden in die Fertigung der neuen Generation beschichteter Bremsscheiben. Breyden ist mit der „iDisc I“ als einziges Unternehmen seit 2017 in Serie und damit Vorreiter mit dem Produkt. Die hartmetallbeschichtete Scheibe ist nach Unternehmensangaben eine Lösung für die Anforderungen der kommenden Euro-7-Norm und feinstaubreduzierend, korrosionsbeständig und verschleißarm im Vergleich zu konventionellen Bremsscheiben. Man habe bereits große Aufträge gewonnen und sei dabei, die Technologie in Serie zu bringen.
Das Gießereiwerk in Breidenbach ist eines der besten Beispiele für die Entwicklung des ursprünglich von Johann Jakob Jung im Dietzhölztal gegründeten Familienunternehmens zum Global Player des 21. Jahrhunderts mit rund 800 Mitarbeitern.