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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
Die Lahn als Wasserstraße
Die Überlegungen, die Lahn als Schifffahrtsstraße auszubauen, reichen viele Jahrhunderte zurück. An Vorschlägen und Ideen hat es nie gemangelt. Technische und finanzielle Probleme bremsten die Realisierung weitgehend aus. Übrig blieb das Vorhaben, die Lahn bis Gießen schiffbar zu machen.
Die Lahn wurde schon im Mittelalter als überregionaler Verkehrsweg genutzt. Wahrscheinlich nutzten sogar die Römer bereits die Lahn als Verkehrssweg.. Anhaltspunkte gibt es, aber keine direkten Nachweise. Ein durchgehender Lauf des Flusses war jedoch durch Mühlenwehre, die die gesamte Breite des Flusses überquerten, vielfach gesperrt. Solche Wehre entstanden in Marburg, Gießen, Wetzlar im 11. Jh., Weilburg und Limburg (vor 1344) und in Oberlahnstein (1370).
Auf dem freien Unterlauf der Lahn wurde schon 1276-89 Kalk aus und um Steeden für die Stadtmauer in Koblenz transportiert. Die Diezer Grafen waren besonders an der Schifffahrt interessiert und förderten sie durch eine Verordnung von 1511. Sie nahmen Zölle für die Fahrt von Diez bis zum Rhein ein. Oberhalb von Diez errichteten sie ein Mühlenwehr, um eine weitere Schifffahrt stromaufwärts zu verhindern. Da eine durchgängige Schifffahrt, auch wegen fehlender Leinpfade, nicht möglich war, erfolgte auf Befehl des Grafen Johann VI. d.Ä. von Nassau-Dillenburg die erste Schiffbarmachung von 1593-99. Er hatte von seinem Bruder Wilhelm von Oranien (Stadthalter der Niederlande) die Vorzüge des Schiffsverkehrs in Holland kennengelernt und wollte die Lahn für den Nachschub dorthin nutzen. Durch den Wasserbauingenieur Heinrich Wesel ließ er einen Leinpfad vom Rhein bis Diez errichten, sowie Stromschnellen, Sandbänke und andere Hindernisse entfernen. Jetzt konnten größere Schiffe eingesetzt werden, die bis 8 Fuder Wein und 100 Malter Korn befördern konnten.
Eine weitere Schiffbarmachung erfolgte während des Zweiten Schlesischen Krieges 1744/45 durch die Franzosen. Sie ließen die Wehre in Balduinstein und Oranienstein öffnen, um ihren Nachschub zu erleichtern.
Nachdem die Familie Mariott 1669 in Ahl, 1671 in Nievern und 1679 in Hohenrhein (oberhalb von Lahnstein) Hüttenwerke gegründet hatte, wurde die Lahn zum Transport von Eisen und Kohle noch dringlicher. Es wurden mehrere Gutachten erstellt, die eine Ausbau der Lahn von Marburg bis zum Rhein prüfen sollten. Die unterschiedlichen Anrainerstaaten konnten sich jedoch nicht auf ein Konzept einigen. Erst mit dem Anschluss der nassau-oranischen an die nassau-weilburgischen Gebiete durch die Rheinbundakte im Jahre 1806 kam es zwischen 1808 und 1810 zu einer zweiten Ausbaustufe bis Weilburg.
Durch Verbesserung der Wehrtechnik konnten nun Schiffe mit einer Länge von 23 m, einer Breite von 3,50 m und einer Höhe von 1,25 m eingesetzt werden. Sie konnten 40 t Last tragen. Interessenkonflikte zwischen Mühlenbesitzern, Hütteneignern, die die Wasserkraft zum Antrieb des Hochofengebläses benötigten, und der Schifffahrt führten zur Konstruktion von beweglichen Wehranlagen und Holzrinnen, die den Schiffen die Weiterfahrt ermöglichten.
Bis 1808 war durch den Bau der Lücke Oranienstein der Weg bis Limburg frei und 1809 wurde Runkel erreicht. Hier wurde die erste Kammerschleuse an der Lahn errichtet. Die Schleuse war 18,84 m lang und 4,40 m breit und bestand aus einem mit Steinen oder Ziegeln ausgefachten hölzernen Rahmenwerk. 1810 war die Lahn über 96 km bis Weilburg, der Hauptstadt des Herzogtums Nassau, befahrbar.
Im Jahre 1816 erhielt Nassau mit Preußen einen neuen Nachbarn, der am Ausbau der Lahn interessiert war, um die preußische Exklave Wetzlar mit den inzwischen preußisch gewordenen Gebieten am Rhein von Bingen bis Emmerich zu verbinden. Eine Kommission aus beiden Ländern kam zu dem Schluss, dass die meisten Engstellen durch Kammerschleusen zu ersetzen waren. Nassau hatte Bedenken wegen der zu hohen Kosten und machte die Zusage von einer Erhebung über die Zunahme der Schifffahrt auf der Lahn abhängig. Diese ergab, dass durch den Transport von Eisenerz und Produkte der Hüttenbetriebe, sowie von Mineralwasser in Tonkrügen aus Selters und Fachingen lahnabwärts und Holz- und Steinkohle, Salz und Wein lahnaufwärts die Schifffahrt sich inzwischen verdreifacht hatte.
Daraufhin fühlte sich Nassau doch gedrängt, das Lahnausbau voranzutreiben. Die Dritte Schifffahrtmachung begann. Zunächst wurde 1838 in Limburg eine Kammerschleuse gebaut. Nach einer Begutachtung 1839 begründete Oberbergrat Schapper sehr ausführlich die Bedingung, die beiden weit auseinanderliegenden Schleusen bei Weilburg durch einen Tunnel abzukürzen. Die Kosten dafür waren sogar geringer, als alle anderen Lösungen. Der Tunnel wurde mit 69150 fl. und die Aufwendungen für die gesamte nassauische Flussstrecke auf 551.979 fl. veranschlagt. Um dieses Projekt mit einem ähnlich anderen zu vergleichen, erkundeten die Vertreter beider Länder die Schiffbarmachung der Ruhr. Dann wurde die Lahnstrecke von Marburg bis Lahnstein begangen und der Standort von Schleusen festgelegt. 1844 wurde der Vertrag zur dritten Ausbaustufe zwischen Preußen, Nassau und Hessen-Darmstadt besiegelt. Hierin wurde festgelegt, dass der Fluss zunächst bis Gießen, das zu Hessen-Darmstadt gehörte, derart ausgebaut werden soll, dass er regelmäßig von Schiffen von 31,4 m Länge, 5,02 m Breite und einem Tiefgang von 0,63 m befahren werden kann. Auch die Größe der Schleusenkammern wurden einheitlich festgelegt und die Standorte für die Pegelmessung festgelegt.
Nassau hatte 1847 den Bau der Tunnel- und die Kuppelschleusenanlage bei Weilburg, 1845 die Schleusen Balduinstein und Villmar und 1853 die bei Nievern, Ahl, Hohenrhein und Niederlahnstein vollendet. Der bis heute einzigartige Tunnel in Weilburg ist 182 m lang und 5,80 m breit. Preußen hatte seine fünf Schleusen 1849 und Hessen-Darmstadt die bei Naunheim fertiggestellt. Wegen einiger gefährlicher Stromschnellen wurde die Lahn durch Wehre in Bad Ems, Hollerich, Fürfurt und Kirschhofen überstaut und Schleusen daneben angelegt. Neben den Schleusen wurden einheitliche, einstöckige Schleusenwärterhäuser, an der Schleuse in Lahnstein ein zweigeschossiges Haus mit zusätzlicher Wohnung für den Zollerheber errichtet. Besonderer Wert wurde auf den Leinpfad mit möglichst wenigen Überschlägen (Wechsel der Flussseite für die Pferde) gelegt.
Organisatorisch wurde die Stelle eines Wasserinspektors geschaffen, der seinen Amtssitz in Dietz hatte. Dort entstand auch ein Hafenbecken für die Überwachungsschiffe und Werkstätten.
1859 war der Ausbau abgeschlossen, gerade zu der Zeit, in der der Aufbau eines Eisenbahnnetztes an der Lahn begann und 1863 vom Rhein bis Wetzlar fertiggestellt war. Für die Umladung der Güter vom großen Rheinschiff auf die Lahntalbahn entstand in Oberlahnstein 1860 ein Hafen.
In der Zeit von 1866 bis 1925 erfolgte die vierte Schiffbarmachung und der teilweise Niedergang der Schifffahrt auf der Lahn. Nachdem Nassau nach dem Deutschen Krieg 1866 an Preußen gefallen war, übernahm Preußen die Verantwortung über fast die gesamte Lahnstrecke. (Ausnahme Gießen = Hessen Darmstadt). Die Konkurrenz zur Schiene verlangte, dass der Fluss ohne Beeinträchtigung von Niedrigwasser im Sommer oder Eis im Winter durchgängig befahrbar bleibt. Das erforderte eine Aufstauung an kritischen Stellen bzw. Kanalisierung des gesamten Flusslaufes, was bisher nur einmal an der Saar vorgenommen wurde. Der preußische Landtag verweigerte jedoch die Mittel, so dass nur bei Kalkofen 1879-1882 eine Schleuse eingebaut wurde und einige sonstige Schwachstellen notdürftig ausgeräumt wurden. 1875 wurde die Mündung der Lahn in den Rhein verbessert und 1882-85 der Oberlahnsteiner Hafen für die Umladung von Lahn- auf Rheinschiffe durch Bau eines kurzen Verbindungskanals ausgebaut. Die Schifffahrt als Massentransportmittel war aber weiter gefragt. 1903 gründeten Industriekreise an der mittleren Lahn einen Verein zur Verbesserung der Lahnschifffahrt. Pläne für einen Kanal über die Fulda zur Weser wurden betrieben, aber Preußen genehmigte lediglich den Ausbau (1905-1906) der unteren Lahn von Bad Ems zur Mündung in den Rhein für Schiffe bis 180 t Ladung. Die hauptsächlichen Ladestellen bei Limburg, Diez oder gar Weilburg und Wetzlar wurden damit nicht erreicht.
Eine fünfte Schifffahrtmachung vollzog sich in den 1920er Jahren nachdem Motorschiffe zur Regel wurden und ein Trendelbetrieb damit entfiel. Modellrechnungen für verschiedene Schiffstypen hatten jedoch ergeben, dass auch unter diesen Bedingungen die Lahn nur im Unterlauf sinnvoll für die Schifffahrt genutzt werden kann. Da sich bei Steeden große Steinbrücke und Kalkabbau betrieben wurden, ließ das Deutsche Reich die Lahn bis dort kanalisieren. 1925 bauten die Mainkraftwerke AG in Cramberg (südl. v. Diez) ein Kraftwerk. Man verpflichtete das Unternehmen, das die Wasserkraft für 70 Jahre gepachtet hatte, den Fluss mit allen für die Schifffahrt erforderlichen Anlagen (Wehre, Staustufen usw.) auszustatten. Der bis dort 67 km lange Fluss hatte danach 12 Schleusen und eine Fahrtiefe von 1,80 m.
In einer sechsten Schiffbarmachung wurde nach dem Krieg geprüft, ob die untere Lahn für Schiffe bis 300 t ausgebaut werden kann, da die Schifffahrt bis 1960 enorm zunahm. Danach ging sie jedoch stark zurück, vor allem, nachdem die Steinbrüche 1971 geschlossen wurden. Der Gütertransport auf der Lahn kam danach völlig zum Erliegen.
Stark zugenommen hat jedoch der Verkehr mit Sportbooten jeglicher Art, so dass seit dieser Zeit nur noch Bootsgassen und Wehrlücken für Kajaks, Kanus, Ruder- oder Motorboote errichtet werden und sich ein reger Wassertourismusbetrieb entwickelt hat.
Nur mit Mühe konnte die großen Koalition 2017 überredet werden, die Lahn weiterhin als Bundeswasserstraße zu deklarieren um die hohen Kosten zur Unterhaltung der Anlagen, für den Hochwasserschutz und die touristische Entwicklung nicht auf die betroffenen Kommunen abzuwälzen.
Der Wassertourismus hatte inzwischen in seinem gesamten wirtschaftlichen Umfeld tausende Arbeitsplätze geschaffen und die Tourismusverbände forderten, dass der Bund weiterhin für den Unterhalt der Schleusen und anderer wasserbaulichen Anlagen die Betriebsfähigkeit sicherstellt.