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Neuhoffnungshütte (Haas&Sohn) - Sinn, Max Reischl

Geschichte der Neuhoffnungshütte

 

Die Ära Treupel

 

Der Förster Daniel Treupel (1766-1840) beantragte von der herzoglich-nassauische Hüttenverwaltung in Dillenburg die Genehmigung zur Errichtung einer Eisenhütte bei Sinn im Dilltal. Hier hatte die Dill genügend Gefälle zum Betrieb einer Wasserkraftanlage. Im nahen Schelderwald befanden sich hochwertige Roteisensteinlager und die Wälder boten genug Holz als Heizmaterial für die Hochöfen. Spaten, Hacken und sonstige „nützlichen Geräthe“ zu produzieren, die sonst teuer aus dem Ausland bezogen werden mussten, überzeugten die Behörden nach langen Bedenken und sie erteilten den Gebrüder Treupel 1818 die Genehmigung.

Technisch bestand Treupels „Neuhoffnungshütte“ aus einem Holzkohlehochofen, einer Gießerei, einem Hammerwerk und einem Wasserkraftwerk, das die Energie für den Betrieb der Hochofengebläse, der Hämmer, der Schneid- und Sandmühle und der Schmiede diente. 1827 wurde das Herrenhaus errichtet. Daneben gab es technische Werkstätten und das obligatorische Arbeiterwohnhaus, in denen die Arbeiter wohnten, die nur am Wochenende zu ihren Familien gehen konnten.

Treupel erzeugte mit seinem Hochofen Gusseisen, mit dem in der Gießerei hauptsächlich Ofen- und Herdteile hergestellt wurden. Daneben produzierte er durch das. sog. Frischen auch Schmiedeeisen (Stahl) in Form von Stabeisen für Schlossereien und Schmieden. Für das Frischen setzten die Gebr. Treupel schon früh das aus England bekannte Puddelverfahren ein, das die Herstellung größerer Mengen Stahl ermöglichte, denn die Nachfrage nach Stahl stieg mit der Industrialisierung rasant.

 

Die Ära Haas und Sohn

 

1840 starb Daniel Treupel. Die beerbten Kinder zerstritten sich offenbar und verkauften 1854 das Werk an die Kaufleute Wilhelm Ernst Haas sen. (1784-1864) und seinem Sohn Wilhelm Ernst Haas jun. (1815-1865) aus Dillenburg und dessen Ehefrau Magdalene Haas. geb. Silbereisen (1821-1896). Der Kaufpreis betrug 185.500 nassauische Gulden, ein für damalige Zeit sehr hoher Betrag. Wilhelm Ernst Haas jun. übernahm die Leitung der Firma Haas + Sohn KG.

Der Kaufpreis enthielt neben den Betriebsanlagen auch sieben Erzgruben. Ernst Wilhelm Haas sen. erwarb weitere Gruben und besaß schließlich 168 Grubenfelder.

Das Unternehmen wurde schnell erfolgreich. Haas vergrößerte und modernisierte die technischen Einrichtungen. Ein großer Dampfkessel und eine 20 PS Dampfmaschine zum Betrieb des Walzwerkes war 1858 ein markantes Ereignis. Der Bau der Eisenbahnstrecke von Deutz nach Gießen mit Haltepunkt in Sinn erweiterte ganz bedeutend die Arbeitsmöglichkeiten und Marktchancen der Hütte.  

Nach dem frühen Tod von Ernst Wilhelm Haas jun. im Jahr 1864 und dem kurze Zeit späterem Tod des Seniors führte Magdalene Haas, Witwe des Juniorchefs, zusammen mit ihrem Schwager Friedrich (Fritz) Haas die Firma erfolgreich weiter.  Friedrich Haas, der Bruder von Wilhelm Ernst, galt als gesundheitlich schwächlich und wurde zunächst nicht an der Firma beteiligt, arbeitete aber vollberechtigt mit. Er machte sich aber durch die Herausgabe einer Fachzeitschrift „Der Berggeist“ und durch verbandspolitische Tätigkeiten einen Namen. Die 1860er Jahre brachten politisch und wirtschaftlich einschneidende Veränderungen. Das Herzogtum Nassau, das auf Seiten Österreichs gegen Preußen gekämpft hatte, wurde als Provinz „Hessen-Kassel“ in den Regierungsbezirk Wiesbaden eingegliedert und die Ämter Dillenburg und Herborn wurden zum Dillkreis zusammengelegt. In Sinn florierte noch die Gusseisenproduktion. Mit Hilfe neuer Kupolöfen stieg sie von 1865 – 1893 von 513 t jährlich auf über 3000 t im Jahr an. Begünstigt wurde der Absatz durch den Bahngleisanschluss an die Strecke Gießen-Köln 1868, durch den Aufbau neuer Walz- und Puddelwerke 1870 und den Einsatz von Dampfmaschinen 1875.

Für die Unterbringung von Arbeitskräften wurde 1875 ein Schlafhaus und für ihre Verpflegung eine Werksküche errichtet. Entscheiden für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens war die 1888 errichtete 110V Gleichstrom-Erzeugung mit einer Wasserturbine, der eine 190V Drehstromerzeugung folgte. Der elektrische Strom ermöglichte 1892 die Errichtung eines Emaillewerkes und einer Vernickelungswerkstatt zur Oberflächenbehandlung von Öfen und Herde. Dazu wurden eine Reparaturwerkstatt und eine Modellschlosserei errichtet. 1872 hatte das Werk 312 Arbeitskräfte, die während der Gründerkrise auf 238 reduziert wurden. Aber 1893 betrug ihre Zahl bereits wieder 605.

Bedrohlich wurde die Entwicklung der Stahl- und Holzpreise. 1000 kg Eisen kosteten 1860 noch 133,40 Mark, 1889 nur noch 60,50 Mark. Holz wurde wegen der Verarbeitung zu Eisenbahnschwellen und Verwendung um Ruhrbergbau teurer und knapper, so dass die Umstellung auf Kokshochöfen unumgänglich war. Ein entsprechend bereits genehmigter Plan wurde jedoch nicht realisiert, da Haas + Sohn sich nicht zur Aufnahme hoher Bankkredite entschließen konnten. So wurde 1892 der Hochofen ausgeblasen und die eigenen Erzgruben bis auf 10 aufgegeben. Stahl konnte nur noch wirtschaftlich mit den neu entwickelten Verfahren hergestellt werden. Aber die Umstellung der Stahlproduktion auf das Bessemerverfahren war wegen des zu hohen Phosphoranteils des Eisenerzes nicht möglich, die Anwendung des Thomasverfahrens oder des Siemens-Martin-Verfahrens verwarf  Haas + Sohn aus Wirtschaftlichkeitserwägungen. Mit dem noch vorhandenen Puddel- und Walzwerk wurden Hufeisen produziert, dessen Produktion im ersten Weltkrieg auf 8000-9000 Tonnen im Jahr betrug und ein Umsatz von 1 Million Mark erbrachte. In den Spitzenzeiten des Absatzes wurden bis zu 1200 verschiedene Größen und Modelle produziert. Auch begann man Beginn des 20. Jahrhunderts den Einstieg in die Drahtproduktion zu, den viele Hütten im Lahn-Dill-Revier beschritten.

Hatte die Gießerei schon längere Zeit Ofenplatten hergestellt, die an Ofenhersteller verkauft wurden, beschloss Haas + Sohn, Öfen und Herde selbst Herzustellen. Verschiedene Preise und Patente beflügelten das Geschäft. Die Ofenproduktion war aufwendig. 108 verschiedene Typen von Öfen, Herden und einer Kombination aus beiden wurden produziert, wozu noch ein fast unüberschaubare Anzahl unterschiedlich gestalteter Füße, Ofenplatten, Kunststilornamenten u.a. lieferbar waren. Die Qualität der Entwürfe und Zeichnungen für die Modelleure und Ziseleure war für den Unternehmenserfolg so bedeutend, dass Haas + Sohn hierfür den Stuttgarter Professor Oscar Krell verpflichtete, der auch das Logo des Unternehmens entwarf.

Erfolgsmodelle bei den Öfen waren die von James und Morris entwickelten „irischen Dauerbrandöfen“ und die „amerikanischen Öfen“, die sich technisch und in der Verwendung des Heizmaterials unterschieden.

Magdalene Haas lenkte klug und weitsehend die Geschicke des Unternehmens. Sie sorgte in ihrem Testament dafür, dass die Neuhoffnungshütte immer in der Hand der Familie Haas blieb. Dadurch stieg die Anzahl aller Familienmitglieder als Gesellschafter der OHG stark an, so dass die Gesellschaft 1918 in eine KG umgewandelt wurde, in der nur die geschäftsführenden Mitglieder der Familie voll mit ihrem Privatvermögen hafteten.

Der Erfolg des Unternehmens führte zu weiteren Investitionen. 1897 erhielt das Werk einen Telefonanschluss und 1900 wurde ein neues Verwaltungsgebäude errichtet. Die Buchhaltung wurde noch stiefmütterlich von 20 Angestellten erledigt, während die Gesamtbelegschaft 834 Köpfe betrug. 1907 wurden zwei neue Wasserkraftturbinen und eine Draht-Beize sowie eine neue Beschlagschlosserei für die Ofenfertigung eingerichtet. Die Errichtung der Aartalbahn und der Westerwaldbahn verbesserte die Situation der Arbeitskräftesuche.

Etwa 2 km dillaufwärts lag die Wilhelmwalze, eine Blechfabrik. Haas + Sohn erwarb 1911 das Unternehmen und installierte dort zwei Wasserkraftturbinen von zusammen 325 PS, die im Jahr ca. 1 Million kWh Strom lieferte und damit zusätzlich die Gemeinde Sinn versorgte.

 

Haas & Sohn ab 1914

 

Die Jahre des ersten Weltkrieges überlebte das Unternehmen unter großen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung. Lediglich die Hufeisenproduktion und das wieder stark nachgefragte Eisenerz der noch verbliebenen Gruben sicherten das Überleben. Die Belegschaft schrumpfte von 856 im Jahre 1913 auf 444 im Jahre 1917. Die Situation verschlechterte sich teilweise derart, dass der Verkauf der Hütte angeboten wurde. Nur durch zu langes Zögern des Hauptinteressenten verblieb sie im Besitz der Familie Haas.

In den Nachkriegsjahren dominierte die Sorgen um genügend Rohstoffe und Kohlen, die Inflationsjahre sorgten für soziale Unruhen und es kam erstmals zu Streiks. Dazu waren die traditionellen Lieferanten im besetzten Rheinland und Ruhrgebiet weggebrochen.

     Der Bergbau wurde eingestellt und erst mit Beginn der Autarkie-Wirtschaft ab 1933 wieder aktiviert. Der gesamte Erzbergbau wurde von Buderus koordiniert, denen Haas + Sohn ihre 150 Grubenfelder verpachtete.

Die Produktionsbereiche waren in den Zwischenkriegsjahren:

1. Die Ofenproduktion, die immer stärker ausgebaut wurde,

2. das Puddel- und Walzwerk lieferte das das Rohmaterial für Hufeisen, Ofen- u.a. Produkte,

3. die Hufeisenproduktion, die trotz beginnender Motorisierung gute Erträge brachte,

4. die Drahtproduktion, die durch selbst entwickelte Ziehmaschinen stark ausgeweitet wurde.   

Die sozialen Leistungen bestanden aus der Errichtung eines Werkskindergartens sowie ein sog. Wohlfahrtshaus für die Mitarbeiter.

Die Ofen- und Herdproduktion wurde nun wissenschaftlich begleitet. Heizwirkungsgrade wurden systematisch ermittelt und für das Design die besten Fachleute eingestellt. Der erste nach diesen Prinzipien entwickelte Ofen war ein voller Erfolg. Das Labor untersuchte auch die Anwendung von Gas für die Produkte, das selbst im Werk gar nicht vorhanden war und extra vom Gaswerk in Herborn bezogen wurde. 

Im gesamten Betrieb wurden ab den 30er Jahren Arbeitsstudien mit Hilfe des REFA-Systems (Reichsausschuss für Arbeitsstudien) durchgeführt, der bei der Umstellung auf Massenfertigung im Fließbandsystem Leistungssteigerungen bis zu 50% erbrachte. Außerdem wurde es erstmals möglich, Löhne gerechter zuzurechnen. 

Um den steigenden Energiebedarf vor allem des Puddel- und Walzwerkes anzupassen, wurde 1930 eine 1000 kW Dampfturbine aufgestellt.

1932 begann die Fertigung von Großkochgeräten, Kipp-Bratpfannen und Großherden. Als erster wurde ein 300 Liter Kochkessel für den RAD ausgeliefert. Großkochgeräte und Großherde für die Wehrmacht wurden zeitweise zum stärksten Umsatzträger.

1935 betrug die Zahl der Mitarbeiter 964 und überstieg 1937 die 1000er Marke.

 

Die Zeit ab dem Zweiten Weltkrieg

 

Mit Ausbruch des Krieges wurden viele Mitarbeiter abgezogen und die Produktion musste auf Kriegswirtschaft umgestellt werden. Ein Auftrag über 10.000 Bunkeröfen für den Westwall mit einem Wert von 1 Mio. Mark war nur ein scheinbarer Erfolg, da die Bezahlung über ein zweifelhaftes Wechselsystem erfolgte. Die Entwicklung von Granatwerfer und Munitionshülsen verlangte die Einarbeitung in ein fremdes Metier.

In der Ofenproduktion musste Eisen eingespart werden. Stattdessen wurden die Öfen stärker mit Schamotte ausgekleidet und die Anzahl der Typen wurde von 68 auf 18 Modelle beschränkt. Auch die Hufeisenproduktion wurde von 1200 auf 350 Modelle reduziert.

Zur Anpassung der Gießerei auf die Kriegswirtschaft wurde eine Konverter-Anlage errichtet, die aus zwei Bessemer-Birnen bestand, in die das flüssige Eisen aus den Kupolöfen eingefüllt wurde. Damit wurden Granathülsen gegossen, eine für das Werk bisher völlig unbekannte Technik.

1939 konnte die Gießerei in dem ersten modernen Neubau des Unternehmens einziehen. Um Fachkräfte anzulocken wurden im Süden von Sinn für 2 Mio. Mark eine Mitarbeitersiedlung mit 96 Wohnungen in 29 Häuser errichtet. 1963 wurde die Siedlung nach seinem Initiator, dem Direktor von Haas + Sohn, in „Dr. Helmut-Prawitz-Siedlung“ umbenannt. Vorübergehend errichtete Haas+Sohn im Elsass ein Zweigwerk für die Gießerei, in der Großkühen und Granathülsen hergestellt wurden.

 

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg

 

Die Produktion lief nach dem Krieg infolge Personal- und Materialmangel langsam an und beschränkte sich zunächst auf die Reparatur von Eisenbahnwagen. Hierbei hatten Heimatvertriebene aus dem Sudetenland erfolgreichen Anteil.

Das Puddelwerk, es war ohnehin schon vor dem Krieg das letzte in Deutschland, wurde nicht wiederaufgebaut. Das Walzwerk wurde auf die Verarbeitung von Schrott umgestellt. Das Eisen war dem Puddelschweißeisen nicht ebenbürtig, eignete sich aber als Moniereisen im Bau und für die Herstellung von Hufeisen.  

Im Walzwerk wurden bis zur Währungsreform Wagenreifen für die Landwirtschaft hergestellt.

Öfen und Herde wurden in befriedigender Menge hergestellt. Sie konnten aber nur zu niedrigen Preisen abgesetzt werden. Nach der Währungsreform 1948 lief die Produktion bei Haas+Sohn mit 1410 Mitarbeitern unter erschwerten Bedingungen an. Zum ersten Mal in der Geschichte musste das Familienunternehmen Überbrückungskredite aufnehmen, die die Banken jedoch bereitwillig und ohne besondere Sicherheitsleistungen gewähren. Die Entscheidung, einen Ölofen auf den Markt zu bringen, erwies sich als großer Erfolg, da die anderen Ofenhersteller diese Technik noch nicht beherrschten. Der Ölofen ging zunächst in den Export, da es noch kein Heizöl in Deutschland gab, wurde dann zunehmen auch im Inland ein Verkaufsschlager. Auch die Entwicklung eines sog. Warmluftofens erwies sich als ein voller Erfolg. Alle Geräte wurden in der Modellschlosserei und des heiztechnischen und chemischen Labors serienreif gemacht.    

Die Umstellung auf diese modernen Öfen erforderte völlig neue Techniken in der Stahlblechverarbeitung. Für die Hochdruck-Stanzmaschinen, neue Emaillierverfahren, automatische Lackieranlage und sämtliche für die Fließbandproduktion erforderlichen Einrichtungen wurde zwischen 1954 und 1960 eine völlig neue Fabrik errichtet, in der jährlich bis zu 350.000 Geräte produziert wurden. Am 26. Mai 1954 bestand die Firma Haas+Sohn 100 Jahre.

Haas+Sohn entwickelte für den Vertrieb des Ölofens moderne, weit gefächerte Marketingstrategien und arbeitete ständig an Verbesserungen und an der Formgebung. Das Design der Ofenmodelle „Spika“ 1958, „Paris“ 1959 und „München“ von Oberingenieur Theo Anschütz war so erfolgreich, dass der Ofen „München“ bis 1969 über 1 Mio. Mal verkauft wurde, ein Wert, der nie wieder von einem Modell der Ofenindustrie erreicht wurde. Ab 1955 wurde es durch ein in den USA entwickeltes Verfahren möglich, den Öltank mit in den Ofen zu integrieren, was für die damals noch kleinen Mietwohnungen ein wichtiges Verkaufsargument war.

Parallel dazu musste ein Reparaturservice für die Ölöfen und die Großküchenanlagen aufgebaut und ein Fuhrpark angeschafft werden. Zeitweise waren 135 Fahrzeuge im Einsatz.

Der Umsatz des Werkes stieg von 23 Mio. Mark im Jahre 1953 (Absatz: 14.000 Geräte) auf 95 Mio. 1963 (283.000 Geräte). In dieser Zeit expandierte auch der Export in die fast alle europäischen Länder, Chile und Japan. Zur Förderung des Absatzes war Haas+Sohn auf allen relevanten Messen vertreten.

Schon in dieser Zeit wurde bei Haas+Sohn eine sog. Fertigungssteuerung eingeführt, was man heute als Logistikmanagement bezeichnen könnte. Organisatorisch war diese neue Dispositionsabteilung als Stabstelle der Geschäftsleitung aufgebaut.

Haas+Sohn engagierte sich im Fachverband Heiz- und Kochgeräte-Industrie e.V. und arbeitete an der Entwicklung entsprechender DIN-Normen mit.

Die Entwicklung von Einbaukühen ab 1950 fand zu dieser Zeit nur beschränkten Anklang.

Auch die Drahtzieherei war recht erfolgreich. 1963 wurden 100 t Buntmetalldrähte, 40t Verpackungsdrähte, 35 t Drahtösen für Sackverschlüsse und 100 t Feindrähte hergestellt.

1951 wurde ein neues Bürogebäude errichtet, da die Verwaltungsaufgaben stark zunahmen. Auch die Gießerei wurde wieder in Betrieb genommen, jedoch erfolgte die gesamte Formung manuell. Anfang der 50er Jahre waren dort 250 Mann beschäftigt. Im Monat wurden ca. 800 t Grauguss hergestellt. 1955 wurde eine automatische Formanlage aufgebaut.

1958 wurde eine automatisch gesteuerte Heißwind-Kupol-Anlage erstellt. Da diese weniger Koks und Roheisen benötigten, hatten sich die hohen Investitionskosten schnell amortisiert. Ähnliches galt für 1963/64 erstellte automatische Formanlage, obwohl deren Anschaffungskosten von 1,6 Mio. DM deutlich höher lag.

Die Gießerei erzeugte 1965 mit ca. 115 Mann monatlich bis zu 500 t Guss. 100 kg Guss wurden in der mechanischen Formerei für 73,50 DM, in der Maschinen-Formerei für 39,00 DM und in der automatischen Anlage für 33,00 DM erzeugt. Der Preisvorteil war enorm.

Im Großküchenbereich wurde schon bald nach dem Krieg die Serienfertigung eingeführt. Abnehmer waren die in Deutschland stationierten Streitkräfte sowie Ägypten, Chile und Belgien. Ab 1959 wurden diese Geräte an die Bundeswehr geliefert. Die Einführung des Gerätetyps „Cafeteria“, ein langgestreckter Speiseausgabentisch für große Teilnehmerzahlen im Stückwert von 1-1,5 Mio. DM verdoppelte sich das Produktionsvolumen bei Großküchengeräte ab den 60er Jahren. Auch hier ging man sofort zu einer optimierten Materialwirtschaft über. Beschaffungs-, Produktions- und Absatzlogistik waren direkt der Geschäftsleitung zugeordnet.

Technische Erweiterungen: 1956 eine neue Stanzerei mit mehreren 400-t-Pressen, 1964 eine hydraulische Presse mit 1150 t Presskraft.

1957 Aufbau einer Gegendruckturbine mit 440 kW Leistung. Dadurch konnte ca. 1/3 des Werkstromverbrauches selbst produziert werden.

Organisationstätigkeiten: Dr. Prawitz = Vorsitzender des Fachverbandes Öfen und ölgefeuerte Geräte, beide Gesellschafter (+ Joachim Schlegel) waren Mitglieder des Verwaltungsrates.

Prawitz, auch Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes Eisen-, Blech und metallverarbeitende Industrie (EBM), sowie Mitglied des Arbeitgeberverbandes des Hessischen Metallindustrie (J. Schlegel).  

1959 Beginn der Umstellung von der Ofenfertigung zum Zentralheizungsbau. a) durch Aufnahme der Produktion von Stahlradiatoren und Stahlkessel, b) durch Aufbau eines Vertriebsystems über Installationsbetriebe. Der gute Ölofenabsatz finanzierte die Übergangszeit.

Umwelt: 1961ff Errichtung einer Neutralisierungsanlage für die giftigen Abwässer des Emaillierwerkes und der Drahtbeize.

Technische Änderung: 1962 wurde nach über 100 Jahren das Walzwerk aufgegeben. Die Hauptprodukte (Rippenstahl und Hufeisen) konnten wg. technischer Vorgaben bzw. nachlassender Nachfrage nicht mehr abgesetzt werden.

1962: Stilllegung der Drahtstiftfabrik. Beschränkung auf Feindrähte, Verpackungsdrähte, Blumendrähte und Drahtösen.

Arbeitskräfte 1964: 2.700 Mitarbeiter. Übergang zu einer „Steuerung der Arbeitsabläufe vom Büro aus“. 1962/63 Bau eines 8-geschosigen Bürogebäudes.

Eigentumsverhältnisse: 1965: Ausscheiden von Dr. Helmut Prawitz (73) als geschäftsführender Gesellschafter. Nachfolger: Gerd Prawitz und Dipl.-Ing. Joachim Schlegel. (Nachkommen von Wilhelm Ernst Haas in 5. bzw. 6. Generation).

Produktionsprogramm: Rückgang des Ofenabsatzes um 50% zwischen 1963 und 1976, Preisverfall um 30% bei Radiatoren. Diversifikation: Schnellwaschgeräte für Kfz und Maschinen (LOVOCAR) sowie Laboratoriumseinrichtungen, Elektrospeicheröfen. Aufgabe von Gasöfen.

1965 Gründung der Tochtergesellschaft „Langenscheidts Armaturen GmbH“- Zubehörteile für Kochgeräte. Umsatz 1970: 1,7 Mio. DM.

Umsatz erreicht 1963 mit 107 Mio. DM erstmals die 100 Mio. Marke (ohne Tochtergesellschaften) mit 2600 Mitarbeitern.

1963 Produktivitätssteigerung durch das MTM-Verrfahren (Arbeitsplatzgestaltung, Minimierung der Griffzeiten). 1966/67 Umstellung des Rechnungswesens auf Computer, Einführung eines logistischen Warenwirtschaftssystems und der computergestützten KLR.

Ausweitung der Zentralheizungsprodukte.

Starke Zunahme des Exportgeschäfts nach Österreich (Tochtergesellschaft Max Reischl) und Frankreich. Die Max-Reischl-Gruppe wird 1980 Generalimporteur für den Vertrieb von Öfen und Herden in Österreich. Ebenso starke Zunahme bei Großkochgeräten. (Haas + Sohn = Platz 4 in DL/1970)

1969 Aufgabe der Hufeisenproduktion. Investition in große Lager- und Versandhallen in Sinn und bei Tochter „Austria“.

Infrastruktur (Verkehr): 1966 Bau der A 45 Dortmund-Gießen mit Abfahrt in Sinn. Elektrifizierung der Bahnstrecke Gießen- Köln.

Der Bau der gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulen in Dillenburg und der Technikerschule verbesserte die Bildungsinfrastruktur erheblich.

H+S besaß seit 1890 eine Betriebskrankenkasse. Es wurden insgesamt 250 Werkswohnungen gebaut. Dazu wurde Darlehen zu Eigenheimbau gewährt und Grundstücke zur Verfügung gestellt. Seit 1941 wurde eine Betriebsrente ausgezahlt. Auch Verbesserungsvorschläge wurden honoriert.

 

Ende in Sinn und Übernahme:

 

Nachdem Haas+Sohn schon längere Zeit Liquiditätsprobleme hatte, wurde das Unternehmen 1979 an die Jurkeit GmbH in Dortmund verkauft. Jurkeit stellte sich jedoch als ein Wirtschaftsbetrugs-Unternehmen heraus. Nach krimihaften Machenschaften und Verhaftungen der „Unternehmenssanierer“ wurde 1981 das Konkursverfahren eingeleitet. Dem Konkursverwalter gelang es, die Produktion noch einige Jahre aufrecht zu erhalten. 1991 war jedoch auch dieses Verfahren endgültig abgeschlossen, nachdem der Bereich „Großküchenanlagen“ und „Militärverpflegung“ schon 1990 an die Gebrüder Thielmann in Sechshelden verkauft worden war.

Bereits 1981 hatte der österreichische Generalimporteur Max Reischl, der bereits seit 1957 Generalimporteur für Öfen und Herde für den Wohnbereich war, diesen Produktionsbereich samt Personal von Haas+ Sohn gekauft. Die Reischl-Gruppe wurde damit vom Importeur zum Hersteller. Am 30. August 1993 schlossen sich die Tore in Sinn für immer..

Die Max-Reischl-Gruppe erwarb 1994 Werke in Tschechien und Ungarn und baute das Produktionsprogramm bis zu den modernsten Heizsystemen für den Wohnbereich aus. Unter veränderten Heizungsbedingungen konzentrierte man sich ab 2001 zunehmend auf Pelletheizungen und Kaminöfen.

2005 wird der Tiroler Heiztechnikhersteller Riser aus Stumm im Zillertal übernommen und das Sortiment dadurch noch erweitert. Riser musste jedoch 2013 das Insolvenzverfahren eröffnen und den Standort schließen.

Haas+Sohn eröffnet 2006 in Puch bei Salzburg die neue Firmenzentrale. Neben der Logistikzentrale für Europa sind hier die Verwaltung, der Bereich Forschung und Entwicklung sowie der Bereich Service untergebracht, und sämtliche ausländischen Märkte. Hier ging die Ofententwicklung in Hinblick auf Effizienz und Schadstoffausstoß weiter. (Clean Technology, Wärmetauscher, Niedrigenergieöfen für Passivhäuser u.a.m.). Die Österreicher bewiesen einmal mehr ihren Ruf als Erfinder.

2013 wurde in Sinn-Fleisbach eine neue, architektonisch ungemein beeindruckende Zentrale für Deutschland errichtet. Bisher nutzte man dafür ehemalige Räumlichkeiten auf dem alten Werksgelände. Außerdem wurde ein neues Logistikzentrum in Varnsdorf/Tschechien und der Produktionsstandort in Stumm geschlossen. Dafür wurde in den Standort Pápa/Ungarn in den Vollbetrieb auf einer Produktionsfläche von 20.000m2 etwa 10 Mio. EUR investiert.

2016 wurde in Lyon/Frankreich eine weitere Zweigniederlassung errichtet, um den Vertrieb, Beratung und Service in Frankreich zu optimieren.

Inzwischen werden Haas & Sohn Öfen weltweit vertrieben und stetig den modernen Anforderungen angepasst.

Wie das INDUSTRIE MAGAZIN Ende April 2024 mitteilt, hat die Haas+Sohn Ofentechnik mit Sitz in Puch-Urstein (Tennengau) bei Hallein einen Insolvenzantrag gestellt. Der Ofenbauer hat nach eigenen Angaben rund 13 Mio. Euro an Verbindlichkeiten. Das Traditionsunternehmen soll nach der Sanierung weitergeführt werden. 38 Mitarbeiter sind betroffen.

 

Grund für die Insolvenz sei, dass der Markt für Pelletöfen oder Kaminöfen in den Kernmärkten Österreich und Deutschland nach einigen Boom-Jahren stark eingebrochen ist. Viele Häuslbauer - vor allem auf dem Land - hätten ihre Heizungen, Kaminöfen und Küchenherde aufgrund der explosionsartig gestiegenen Preise für Gas, Strom und Öl auf Holz und Pellets umgestellt. Nach rekordverdächtigen Bestellungen in den Jahren 2020 bis 2023 hätten die Händler nun hohe Lagerbestände.

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